Abschied von den Händen: Malen mit der Armschiene

Die Vorgeschichte des Malens

Schon längere Zeit malte ich mit Aquarellfarben, seit den Dietenbronn - Aufenthalten. Aquarellieren kostet wenig Kraft, der Pinsel liegt leicht in der Hand. Die Farben sind einfach zu lösen. Der Farbauftrag und das Mischen der Farben geht mit wenig Kraftaufwand vor sich. Ich konnte auch erst auf dem Papier mischen, schön war es, die Farben fließen zu lassen. Auch muss nicht unbedingt das ganze Papier vollgemalt werden, oft reichen Andeutungen, Aussparungen sind sinnvoll, weiß gelassene Stellen wirken. Also von meiner Ausgangslage her sprach alles für Aquarell.
Ich mag auch diese Art zu malen sehr, mochte das schon früher, bevor die Hände schwächer wurden. Schon im Winter 77/78 hatte ich erstmals einen Aquarellkurs bei Piet Sohl in der Heidelberger Volkshochschule belegt. Nachdem ich einen Zivi hatte, der mich dort hinbringen konnte, war das Malen das erste Hobby, das ich selbstbestimmt ausbauen konnte. Schon da im Kurs fiel auf ich, dass ich im Vergleich zu den anderen langsam war.

Die Armschiene: Tuschezeichnen

Bilder: Tusche 1-3 Armschiene Seitdem habe ich wieder mehr gemalt – mit der Hand. Aber das ging nicht lange Zeit so weiter, höchstens drei Jahre etwa. Irgendwann konnte ich den Pinsel nicht mehr sicher halten. Da besorgte ich mir im Berufsförderungswerk, - die hatten viele solche Konstruktionen - , eine Unterarmschiene: Das war eine mit Leichtmetall verstärkte Lederschiene, die mit Klettverschluss am Unterarm festgemacht wurde und das Handgelenk stabilisierte. Sie reichte in die Handinnenfläche hinein. Dort konnte man dann den Pinsel festmachen, der stand nicht senkrecht, sondern fast waagrecht. So habe ich mit dem Unterarm gemalt, indem ich den Pinsel hin und herschob.

Die Möglichkeiten waren also schon sehr eingeschränkt: Es ist mehr ein Tupfen als ein Malen. Außerdem kann ich bald nicht mehr mit dem Farbkasten umgehen, weil ein Radius zu klein war. Also lag es nahe, es einmal mit Tusche zu versuchen. Ich habe mit chinesische Tusche besorgt. Die muss dann der Zivi oder Peter auf dem Tuschestein anreiben. Das ist ein Stein mit einer Vertiefung darin, wo etwas Wasser hineingegeben wird. Dann muss mit ziemlich viel Druck gerieben werden, bis das Wasser kohlrabenschwarz ist. Daneben steht noch ein Wassergefäß. So kann man das Schwarz verdünnen und abtönen bis ins Hellgrau.
Was male ich? Vor allem Landschaften und Bäumchen. Es ist schwer sich daran zu gewöhnen, dass es keine Korrekturmöglichkeiten gibt. Was da ist, kann nur noch schwärzer gemacht werden. Es sind fast nur noch Tupfen oder kleinere Striche....

Abschied von den Händen: Der Mundstab

Bild- Grafik: Gehämmerte Zeit Mund Ich sitze am Schreibtisch vor dem großen Fenster in unserer Wohnung im Emmertsgrund - Hochhaus. Die Sonne steht schon tief. Ich kann weit in die Rheinebene hinunterschauen. Ich sehe weit unten die Kreuzung zwischen Bruchhausen und Leimen, beobachte wie die Autokolonne vor der Ampel steht, sehe sogar das Rot der Ampel. Weiter in der Ebene zeichnet sich das Kernkraftwerk Philippsburg ab und der Speyrer Dom. Weil es klar ist, sieht man heute auch deutlich den Rand des Pfälzer Waldes.
Ich bin allein in der Wohnung, sitze am Schreibtisch und warte. Der Zivi ist schon weg, er hat bis 17 Uhr Dienst gehabt. Peter ist noch in der Schule, hat eine Arbeitsgruppe. Die Fachkollegen in der Gesamtschule treffen sich oft. Er wird irgendwann innerhalb der nächsten zwei Stunden kommen.
Vor mir summt die elektrische Schreibmaschine. Mit den Händen kann ich nicht mehr tippen. Deshalb habe ich begonnen einen Mundstab zu benutzen.
Den Mundstab habe ich im Berufsförderungswerk bekommen. Das ist ein graues dünnes Kunststoffrohr, das vorne einen Gummipfropfen hat zum Tippen und am anderen Ende das Mundstück, auf das ich beiße. Das Mundstück entsteht aus einem kleinen weichen Plastikblock, in den man hineinbeißen muss. Dann wird er mit dem Abdruck der Zähne gebrannt. Aber dieses Ding füllte unangenehm und grob den Mund. Der Stab liegt aber nicht gut an den Zähnen, er wackelt ein bisschen. Es geht langsam, jede Taste muss einzeln mit leichtem Kopfnicken angetippt werden.
Bevor der Zivi gegangen ist, hat er mir eine Seite eingespannt und hat dann die Schreibmaschine angeschaltet. Ich habe Zeit, viel Zeit für eine Seite. Ich überlege, schaue wieder hinunter zur Kreuzung. Die Sonne steht schon tief...
Zuerst habe ich auf diese so eine Art Tagebucheinträge geschrieben, aber da ist die Seite zu schnell voll. Wenn ich so lange Zeit allein bin, muss ich sparsamer mit dem Platz umgehen. Außerdem ist es anstrengend. Ich muss mich sehr zusammennehmen für jede Taste. Also habe ich angefangen konzentriertere Texte zu schreiben, meistens mache ich so eine Art Gedichte. Oder ich spiele damit, Buchstabenspiele, Wortspielereien.
Die meiste Zeit sitze ich da und denke nach. Ich denke viel, viel mehr, als ich tippen kann. Denn das ist anstrengend und geht sehr langsam: Jede Sekunde ein Zeichen.